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Röhrenradioreparatur - Erste Inspektion

Frontansicht eines kleinen, alten, heruntergekommenen Röhrenradios von Siemens

Abgesehen vom generell eher schäbigen Zustand des Gehäuse, fällt zunächst die beschädigte Ein/Aus Taste auf. Bei geöffnetem Gehäuse sieht man dann auch noch dass die Sicherung durchgebrannt ist.

Vorbereitung

Am Anfang einer Reparatur gilt es zunächst möglichst viele Informationen über ein Gerät zu sammeln. Bei alter Elektronik finden sich im Internet oft Schaltpläne. Sucht man nach “Siemens Kleinsuper A 9”, ist direkt der erste Treffer eine Seite von radiomuseum.org auf der es dann auch, wenn auch unter einigen Schikanen, einen Schaltplan gibt.

Mit über 100 Elementen ist der Schaltplan auf den ersten Blick etwas unübersichtlich. Bei etwas genauerem Hinsehen lässt er sich jedoch leicht in einzelne Blöcke einteilen, deren Funktion sich dann auch nachvollziehen lässt. Ich habe von der kaputten Sicherung ausgehend mit den ersten drei Blöcken angefangen. Außerdem habe ich Trennpunkte eingetragen, an welchen sich die Module voneinander trennen lassen, um sie einzeln zu testen.

Foto des ausgedruckten Schaltplans mit von Hand eingefügten Markierungen

Zuerst kommt das Netzteil. Dieses versorgt alle Teile der Schaltung mit einer Anodenspannung von (laut Schaltplan) 241 Volt. Außerdem werden alle Röhren und die Glühbirne für dieHintergrundbeleuchtung mit einer Heizspannung von (typischerweise) 6,3V AC.

Aus heutiger Sicht auffällig ist das hier ein Spartrafo verwendet wird. Es gibt also keine Potentialtrennung zur Netzspannung. Da das Massepotential auf das Chassis gelegt ist, können 230V Netzspannung am Chassis anliegen (je nachdem wie herum der Stecker in der Steckdose steckt). Auf dem Chassis ist daher auch ein Warnhinweis angebracht.

Ein Aufdruck auf dem Chassis warnt vor anliegender Spannung

Außerdem fällt auf, dass der Gleichrichter aus einer einzelnen Diode besteht. Heutzutage würde man einen Brückengleichrichter aus vier Dioden erwarten. Bedenkt man aber dass es sich um ein Röhrengerät handelt, so ist es wohl schon modern dass überhaupt ein halbleiterbasierter Gleichrichter verbaut ist. Auf dem Bild des Chassis sieht man noch die Aussparung wo in früheren Versionen vermutlich eine Gleichrichterröhre verbaut war.

Netzteil Testen

Zunächst habe ich also das Netzteil vom Rest der Schaltung getrennt, eine neue Sicherung eingebaut, und den Stecker eingesteckt. Die Sicherung ist direkt wieder durchgebrannt. Meine erste Vermutung war, dass der große Elektrolytkondensator (2x 50µF, 385V) kaputt sein könnte. Elkos gehen mit der Zeit kaputt (das Elektrolyt trocknet aus), und 70 Jahre sind viel Zeit.

Aus der Schaltung ausgebaut und an ein Labornetzgerät und ein Multimeter angeschlossen zeigt sich folgendes: Bei einer Gleichspannung von 20V fließt dauerhaft ein Strom von ca. 1mA. Damit ist der Kondensator definitiv unbrauchbar. Ausgehend von einem linearen Zusammenhang würden bei einer Spitzenspannung von \(230V\cdot \sqrt{2}=325V\) ein Strom von \(325V\cdot \frac{1mA}{20V}=16,25mA\) fließen. Das entspräche einer Leistung von ca. \(325V\cdot16mA=5,2W\). Es ist aber auch gut vorstellbar dass der defekte Kondensator bei der hohen Spannung vollständig durchschlägt.

Schön detailliert wird auf magisches-auge.de auf die Probleme mit alten Kondensatoren eingegangen. Außerdem werden Hinweise gegeben welche Kondensatoren zur Sicherheit auf jeden Fall auch noch ausgetauscht werden sollten.

Aber auch mit frischen Kondensatoren brennt die Sicherung weiterhin durch. Vom Schaltplan ausgehend kommen nur noch der Trafo und der Selengleichrichter in Frage. Ein kaputter Trafo wäre nur schwer zu ersetzen, außerdem sind Selenhalbleiter bekannt für ihre problematische Alterung. Wenn der Kondensator in der einen Halbwelle der Netzspannung auf 325V aufgeladen wird, und dann der Hochpunkt der zweiten Halbwelle erreicht wird muss die Selendiode 650V sperren. Gut möglich dass das nicht mehr funktioniert.

Also ist der nächste Versuch hier einfach eine moderne Siliziumdiode einzubauen. Die 1N4007 hat eine Sperrspannung von 1000V und einen Durchlassstrom von bis zu 1A. Damit sollte sie genügen. Im Schaltplan sind praktischerweise die verschiedenen Arbeitspunkte eingetragen. Von der Endstufe abgesehen werden die Anoden bei einer Spannung von 241V mit insgesamt 24mA Versorgt. Weitere 20mA fließen in die Endstufe.

Da ich nicht genau weiss wie viel Spannung am diferentiellen Widerstand der Selendiode abgefallen ist, habe ich die Schaltung in LTSpice angenähert, und verschiedene Widerstandswerte ausprobiert. Bei ca. 150Ω entsprechen die Spannungen den im Schaltplan eingetragenen.

Screenshot aus LTSpice mit Schaltplan und Simulationsergebnis

Auffällig ist die extrem hohe Restwelligkeit der an der Endstufe anliegenden Spannung. Es ist aber vorstellbar dass das durch eine Art Gegenkopplung ausgeglichen wird - schließlich hat das Radio ja ursprünglich auch mit Kondensatoren in dieser Größenordnung funktioniert. Jetzt muss ich jedenfalls erst einmal auf eine Bestellung mit geeigneten Widerständen warten, und dann kann es weiter gehen.